
Julio Baviera, Gründer des Unternehmensverbundes Clinica Baviera/CARE Vision, reist regelmäßig in einkommensschwache Länder mit wenig Zugang zur medizinischen Behandlung, um Menschen vor dem Verlust ihres Augenlichts zu bewahren. Im Jahr 2016 ging es für ihn nach Vietnam und Ruanda. In diesem Interview erzählt er davon:
Wohin führten Sie Ihre Reisen im Jahr 2016?
Julio Baviera: „Ich bin Anfang Juli nach Vietnam in die Stadt Cao Bang im Norden des Landes an der Grenze zu China gereist – zusammen mit Raquel Socías, einer unserer CARE Vision Ärztinnen in Frankfurt. Ende September ging es für mich nach Ruanda in die Hauptstadt Kigali. Ich war jeweils eine Woche vor Ort.“
Seit wann unternehmen Sie solche Reisen schon?
Julio Baviera: „Seit 1995. Meine erste Reise führte mich damals nach Bagdad, in die Hauptstadt des Iraks. Die humanitären Konditionen waren damals aufgrund der Golfkriege zwischen 1990 und 2003 sehr schlecht und viele Krankenhäuser zerstört. Seither unternehme ich solche Reisen regelmäßig immer wieder.“
Von wem werden die Reisen organisiert?
Julio Baviera: „Meine Reisen nach Vietnam und Ruanda wurden von SEE (Surgical Eye Expeditions International) organisiert, einer humanitären Non-Profit-Organisation, die in Santa Barbara in Kalifornien ihren Sitz hat. Sie wurde 1974 gegründet und organisiert für Ophthalmologen und medizinische Spezialisten, die sich freiwillig melden, Gast-Aufenthalte in Kliniken weltweit.“
Welche Augenkrankheiten haben Sie dort operiert?
Julio Baviera: „Als für Vietnam ein Arzt gesucht wurde, um dort Katarakt-Operationen durchzuführen, habe ich mich gemeldet. In Ruanda kenne ich eine befreundete Lokalärztin. Wir haben geplant, dass ich ihr dort eine Operationsmethode zur Behandlung von Keratokonus lehre, so dass sie diese künftig selbst anwenden kann. SEE hat die Rahmenbedingungen für den Aufenthalt dort sowie die Zusammenarbeit mit dem Dr. Agarval’s Eye Hospital in Kigali organisiert. Wir haben in Ruanda zehn Patienten operiert und Intracorneale Ringe implantiert, um Keratokonus zu behandeln. In der Union Ruanda, in Burundi, Kenia und Tansania wurde diese OP sogar das erste Mal durchgeführt. Die Kosten für den Eingriff hat das Klinikum dort übernommen. Ich habe in Ruanda auch eine Lesung für die lokal ansässigen Ärzte gehalten.“
Welche Patienten haben Sie in besonderer Erinnerung behalten?
Julio Baviera: „Ich habe z.B. ein Mädchen, ca. zwischen 16 und 18 Jahren alt, noch gut in Erinnerung. Ihre Keratokonus-Erkrankung wurde von uns in Ruanda behandelt und sie war nach der OP sehr glücklich und zufrieden mit dem Ergebnis. Abends aßen wir alle zusammen. In Cao Bang war ich in einer staatlichen Klinik tätig und habe 50 Patienten operiert, die unter Katarakt, Grauem Star, litten. Diese Menschen, alles Erwachsene, waren zum Teil nahezu blind. Ein Patient, ca. zwischen 70 und 80 Jahre alt, sah dermaßen schlecht, dass es ihm schwer fiel, den Weg ins Bett zu finden und selbstständig aufzustehen. Unser Eingriff hat ihm das Leben eines normal sehenden Menschen ermöglicht. Schon am Tag nach der OP sah er scharf. Die Menschen, die in armen Ländern, vor allem in Dörfern leben, wissen oft nicht, dass es eine Lösung für ihre Augenerkrankung gibt. Sie denken, sie werden blind sterben wie ihre Mütter oder ihre Väter.“
Wie sieht der Zugang der Menschen zur medizinischen Versorgung aus?
Julio Baviera: „Es gibt Krankenversicherungen, die die Leute aber selbst bezahlen müssen. Oftmals übersteigen die Kosten für die medizinische Versorgung aber die finanziellen Möglichkeiten der Menschen in den jeweiligen Ländern. Mitarbeiter aus meinem medizinischen Zirkel haben in den Dörfern gezielt nach Patienten gesucht, und sie zur OP in die Klinik geholt. Die Patienten haben die Operationen unentgeltlich erhalten.“
Wie sind die Menschen vor der OP mit ihrer Augenerkrankung umgegangen?
Julio Baviera: „Die Menschen wussten, dass sich ihr Katarakt so weit verschlechtern kann, dass er irgendwann zur Blindheit führt. Auch eine unbehandelte Erkrankung an Keratokonus erfordert letztendlich eine Hornhauttransplantation zur Rettung des Augenlichts.“
Wie hat sich das Leben der Menschen dank der von Ihnen durchgeführten OP verändert?
Julio Baviera: „Die Menschen waren fast blind. Da es vor Ort keine Möglichkeit gab, mit einer neueren OP-Methode zu arbeiten, haben wir sie mit der etwas älteren Extracap-Methode behandelt. Sie konnten sofort nach dem Eingriff wieder sehen.“
Wie ist die medizinische Versorgung vor Ort? Mit welchem medizinischen Equipment arbeiten Sie dort?
Julio Baviera: „Mein Surgical Set hatte ich immer mit dabei. Es hat die Größe eines Arztkoffers. Die medizinischen Geräte zum Operieren sind zum Glück sehr klein und leicht zu transportieren. Operiert haben wir in dem jeweiligen OP-Raum der Kliniken vor Ort, wo es ein gutes chirurgisches Mikroskop gab.“
Wer übernimmt die Nachsorge für die Menschen, die Sie behandelt haben?
Julio Baviera: „Die Menschen werden weiter vor Ort von den lokalen Ärzten versorgt, die alle notwendigen Nachsorgeuntersuchungen durchführen.“
Wie sind Sie persönlich mit den dort vorherrschenden Bedingungen zurechtgekommen?
Julio Baviera: „Besonders in Vietnam war es nicht einfach. Es herrschten Temperaturen von etwa 39 Grad und eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit. Im OP-Raum war es zum Glück dank der Klimaanlage angenehm kühl. Kigali wiederum liegt auf 1.567 Metern Höhe. Hier waren es angenehme 18 bis 25 Grad. Das war ideal und ganz wunderbar.“
Wie haben Sie sich auf die Reisen vorbereitet?
Julio Baviera: „Ich musste in Deutschland zum Gesundheitsamt und mir dort alle notwendigen Impfungen abholen.“
Planen Sie eine weitere Reise dieser Art für 2017?
Julio Baviera: „Für 2017 plane ich mindestens ein bis zwei weitere Reisen. In welche Länder es geht, weiß ich aber derzeit noch nicht.“